Künstler Moodi Abdalla über die internationale Graffiti-Szene in seiner Heimat
Künstler, Tourguide, Personal Trainer und Mitgründer des Graffiti-Stores „Shop Behind The Wall“. Der 29-jährige Moodi Abdalla aus Bethlehem/Palästina hat normalerweise viele Jobs, um sich über Wasser zu halten. Im Gespräch mit mir verriet er, wie er trotz ausbleibender Touristen versucht, am Ball zu bleiben und warum sich hinter der 2002 errichteten Sperranlage in seiner Heimat gleichermaßen Hoffnung und Frustration verbirgt.

Moodie Abdalla und Ursula Mindermann in ihrem gemeinsamen Laden „Shop Behind The Wall“ in Bethlehem
Eine 759 km lange Mauer, die die israelischen Gebiete vom palästinensischen Westjordanland entlang der 1949 gezogenen Waffenstillstandslinie abtrennt, trifft damals wie heute auf politischen Widerstand. Graffiti-Sprayer aus der ganzen Welt haben es sich inzwischen zur Aufgabe gemacht, die Sperranlage als Fläche für ihre gesellschaftskritische Kunst zu nutzen. Allen voran die berühmte Streetart-Legende Banksy, die 2005 erste Schablonen-Graffitis – sogenannte Stencils, auf der Mauer hinterließ. Der Startschuss für eine kreative Auseinandersetzung mit der israelisch-palästinensischen Besatzungspolitik, die weltweit für Aufmerksamkeit sorgt.

„Zwei Engel ziehen die Mauer auseinander“, das letztes Bild, das Banksy, einer der weltweit bekanntesten Streetart-Künstler, bisher in Bethlehem gemacht hat
Die Mauer ist heute eine Art politische Galerie.
Moodi Abdalla sagt dazu: Nachdem Banksy kam, strömten immer mehr Graffiti-Künstler nach Bethlehem, um sich und ihre Botschaften darauf zu verewigen. Ich selbst spraye auch, organisiere Touren für Touristen oder verkaufe Streetart-Merchandise in meinem Laden „Shop Behind The Wall“. Seit Corona kommen jedoch immer weniger Touristen und es wird zunehmend schwerer, Geld zu verdienen. Deshalb versuche ich gerade gemeinsam mit meiner deutschen Kooperationspartnerin Ursula Mindermann einen Onlineshop aufzuziehen.
Ursula Mindermann ist Fotografin und Vizepräsidentin der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft. Gemeinsam mit Moodi gründete sie den bei Touristen so beliebten Graffiti-Store. Während er sich vor Ort um den Verkauf kümmert, übernimmt sie in Deutschland das Marketing und Social Media.
Moodi Abdalla: Ursula und ich lernten uns in Bethlehem kennen, als sie einmal als Touristin dort zu Besuch war. Seitdem unterstützt sie mich, wo immer sie kann. Damals stellte sie den Shop mit mir auf die Beine. Dafür bin ich ihr wirklich sehr dankbar.

Moody und Taqi Spateen gestalten das Graffiti mit Spiegel und einem Zitat aus „Dr. Jekyll and Mr Hyde“. Das Graffiti wurde gemeinsam von Moody, Ursula Mindermann und Taqi Spateen konzipiert
Ein ambivalentes Verhältnis zu Kunst und Mauer
In den letzten Jahren lernte Moodi viele internationale Größen aus der Graffiti-Szene kennen und der Hype um den wachsenden Kunsttourismus verschaffte ihm zunehmend wirtschaftlichen Auftrieb. Seit er jedoch aufgrund der Pandemie den Shop vorerst schließen musste, sucht er nach Alternativen, um sich finanziell über Wasser zu halten. Massive Existenzängste und ein nicht vorhandenes Sozialsystem bereiten ihm große Sorgen. Am liebsten würde er deshalb nach Deutschland ziehen und sich dort ein neues Leben aufbauen.
Moodi Abdalla: Es ist wirklich schwierig geworden. Zwei meiner Standbeine sind weggebrochen und ich kann aktuell nur noch als Personal Trainer etwas dazuverdienen. Meine Angestellten aus dem Laden musste ich ebenfalls nach Hause schicken und alle leiden unter der Situation. In Deutschland habe ich viele Freunde und Bekannte, weshalb ich mir dort ein Leben sehr gut vorstellen könnte. Natürlich wird es auch wieder eine Zeit nach der Pandemie geben und auch die Touristen werden wieder ins Land strömen. Doch ein bunter Sperrwall mit berühmten Graffitis vor der Nase bringt eben nicht nur wirtschaftliche Vorteile mit sich, sondern auch Frustration, Enge und anhaltende politische Konflikte.

„Hillary Clinton und Donald Trump“, ein beliebtes Graffiti-Fotomotiv in Palästina
Im Anschluss an das Interview mit Moodi Abdalla hatte ich auch die Gelegenheit, mit seiner Geschäftspartnerin Ursula Mindermann über ihre Arbeit als Vizepräsidentin der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft zu sprechen. Die 58-jährige Diplom-Ingenieurin und Fotografin engagiert sich seit vielen Jahren für Palästina und ist selbst Teil der hießigen Streetart-Szene. Mein Interview mit ihr kann man in „Streetart in Bethlehem, Teil 2“ lesen. .
Mehr zu Moodi Abdalla und den „Shop Behind The Wall“ gibt es auf der Website oder auf Facebook.
Interview und Text: Nadine Zwingel
Bilder: (c) Ursula Mindermann