Julia Knop

Mit beiden Augen das Straßenbild der Welt im Blick

Wir sehen sie jeden Tag, ohne sie dabei wirklich wahrzunehmen: Die vielen kleinen Dinge, die in unserer eigenen Straße passieren – in der Straße auf dem Weg zum Sport oder auf dem Weg zur Arbeit. Die ganzen kleinen Dinge, die in der Summe das Straßenbild einer Stadt ergeben und uns bei ihrem Anblick lächeln, aber auch den Kopf schütteln lassen.

Die Hamburger Fotografin Julia Knop ist auf den Straßen der Welt zu Hause, die Kamera stets an der Hand, um diese kleinen Dinge für immer festzuhalten. Für eines ihrer Projekte reiste sie nach São Paulo, Shanghai und Istanbul, um dort in ihren Fotos das Straßenbild der Großstädte zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten einzufangen.

Julia Knop fotografiert Julia Knop. Ihre Arbeiten wurden zuletzt in ihrer Wahlheimat Hamburg ausgestellt.

Wenn das Straßenbild eine Geschichte erzählt

M2G: Julia, was fasziniert Dich so an diesen Straßen?

Julia: Um 2000 gab es jedenfalls noch deutlich sichtbare Unterschiede. Es war auch komplizierter zu reisen, aber man wusste doch immer gleich, wo man war, und welche lokale Kultur das Leben bestimmte. Wenn man heute durch São Paulo, Berlin oder Istanbul geht und sich nur so im Kleinen umsieht, kann man manchmal gar nicht erkennen, wo man ist.

M2G: Wie hast Du die Straßen ausgewählt?

Julia: Ich habe sie so ausgesucht, dass die Größe, die Lage in der Stadt und die Bedeutung für die Bürger jeweils ähnlich war. Ich habe meist eine Woche bis zehn Tage Zeit auf diesen Straßen verbracht. Die klassische Straßenfotografie war mein Stilmittel.

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Auf den ersten Blick gar nicht mehr von anderen Großstädten zu unterscheiden: Das Straßenbild der Metropolen von heute ist international geprägt. (Bild: Istanbul)

Das Straßenbild als Kulturspiegel

M2G: Was hast Du von diesen Reisen mitgebracht außer Fotos?

Julia: Ich bringe mir meist etwas Typisches zu essen mit, etwas Nicht-Globalisiertes, was man – fast! – nur in der Stadt oder in dem Land bekommt, sowas gibt es natürlich auch noch. In Shanghai habe ich mir den typischen „Oolong-Tee“ besorgt, in Istanbul „Baklava“, die typische Süßigkeit mit Blätterteig und Honig, aus São Paulo hab‘ ich mir den Königspfeffer „Pimente do Reino“ mitgebracht.

M2G: Die entstandenen Fotografien wurden vor einiger Zeit großformatig hinter den Glaswänden der Hamburger Messehallen ausgestellt.

Julia: Das Besondere an diesem Ausstellungsort war, dass der öffentliche Raum und die Ausstellungsfläche direkt aufeinandertrafen. Beides war nur getrennt von der riesigen Glasfläche, in der sich die Passanten beim Betrachten spiegelten. Damit wurden sie gleichsam Teil des Bildes, der aufgenommenen Szenerie. Es war auch schön, die Serie in meiner Wahlheimat Hamburg zu zeigen.

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Gehört auch in Shanghai zum normalen Straßenbild: Die allgegenwärtige Ablenkung durch Smartphones.

Alltagsgeschichten – Ein Blick zurück und zwei nach vorn

M2G: Was hast Du für Pläne für die Zukunft?

Julia: Im Moment arbeite ich an einem Langzeitprojekt über eine Trans-Frau in Boston, die sich erst mit über sechzig entschieden hat, sich zu ihrem gefühlten Geschlecht zu bekennen und dies auch zu leben. Sie hat sich operieren lassen, lebt allein, nur mit ihrem Hund Murray und arbeitet als Psychiaterin. Daran fotografiere ich noch eine Weile weiter. Ich suche gerade nach einer passenden Form, um diese Arbeit zu präsentieren.

M2G: Wir sind gespannt. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview und Text: Ulrike Blieffert
Bilder: (c) Julia Knop

Mehr über Julia Knop

Julia Knop wurde 1971 in Oberhausen geboren. Studium des Foto-/Film-Designs an der FH Dortmund. Seit 1998 lebt sie in Hamburg. Von dort aus arbeitet sie für Magazine und Agenturen im Bereich der Portrait- und Reportagefotografie. Auch freie Projekte realisiert sie immer wieder auf ihren Reisen. 2015 war sie Stipendiatin des Goethe-Institutes im südindischen Bangalore. Ihre Arbeiten waren unter anderem in der Photographers Gallery in London, im Fotomuseum Winterthur und auf der Photo Biennale in Daegu, Korea zu sehen. Sie ist Mitglied der Kölner Fotoagentur „laif“.

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