Containerwerk: Wo die Zukunft wohnt
Das 2016 gegründete Stuttgarter Start-up Containerwerk fällt durch eine ganz besondere Idee auf: Wohnen in abgewrackten Seefrachtcontainern. Hierfür kauft das junge Unternehmen die gebrauchten Stahlbehälter aus den internationalen Welthäfen auf und verwandelt sie kurzerhand in stilvollen Wohnraum. Es hagelte bereits zahlreiche Innovations- und Designpreise. Ein eigens entwickeltes, patentiertes Dämmverfahren veredelt die Container und überzeugt dabei nicht nur Freunde unkonventioneller Wohnformen, sondern lässt ganze Branchen hellhörig werden. Das Ergebnis ist heute eine serielle, modulare Wohnform für das kleine Budget. Ich habe mit dem sympathischen Erfinder und Mitgründer Ivan Mallinowski über Zeitgeist, Zukunft und Vergangenheit gesprochen.
Vom Schulabbrecher zum Entrepreneur
M2G: Ivan, erst einmal vielen Dank für Deine Zeit, Du bist ja gerade erst frisch aus dem Urlaub zurück. Auch in Deiner Container-Architektur werden Urlauber künftig übernachten. So entstand kürzlich erst ein Gästehaus in Costa Rica. Wohnst Du selbst denn auch in einem Container? Wo lebst Du?
Ivan (lacht): Zugegeben, nein. Ich wohne in einer alten Wassermühle im Rheinland und die macht meinen Containern in Sachen Charme natürlich mächtig Konkurrenz. Klar, denke ich manchmal darüber nach. Aber ich fühle mich dort einfach zu wohl. Gebürtig stamme ich ursprünglich aus Basel, bin dann aber später in der Nähe von Heinsberg gelandet. Heinsberg sollte ja inzwischen jedem ein Begriff sein – aus bedauerlichem Grund.
Der aktuelle Zeitgeist erfordert sinnvolle Wohnformen.
M2G: Ja, das ist wahr. Haben Du und Dein Unternehmen denn die Auswirkungen von Corona zu spüren bekommen?
Ivan: Nicht wirklich. Klar liegen manche Dinge auf Eis. Aber dafür sind viele andere Dinge dazugekommen. Wir erhalten beispielsweise viele Anfragen für Interimslösungen und mobile Nutzungen. Der aktuelle Zeitgeist erfordert einfach dezentrale, mobile und sinnvolle Wohnformen.
M2G: Was genau meinst Du damit?
Ivan: Naja, die Nachfrage nach neuen Wohnkonzepten wird immer größer. Viele können oder wollen sich die teuren Stadtwohnungen nicht mehr leisten und suchen nach stilvollen Alternativen, die auch Nachhaltigkeit und Mobilität nicht ausschließen. Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der leidenschaftlicher Angler ist. Aktuell reist er deshalb mit seinem Seefrachtcontainer von Station zu Station in Skandinavien. An jedem Ort bleibt er ein halbes Jahr, danach zieht er weiter.
„Warum sind Dinge wie sie sind?“
M2G: Ist so ein Weitertransport nicht teuer und aufwändig?
Ivan: Wieso? Günstiger als mit Seefrachtcontainern kann man ja quasi gar nicht transportieren. Die genormten Maße erfüllen die Voraussetzungen für jede Standardlogistik. Ob auf Straßen oder Seewegen. Auf Wunsch organisieren wir das auch für unsere Kunden.
M2G: Da hast Du Recht, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Ist die Logistik auch der Grund für Deine Entscheidung, Dich auf Container-Architektur zu spezialisieren, oder wie kam es zu dieser Idee? Hast Du etwas in dem Bereich studiert?
Ivan: Nein, ich hab weder etwas gelernt, noch studiert. Tatsächlich bin ich sogar damals von der Schule geflogen. Mir ging schon immer alles irgendwie nicht schnell genug und das ist auch heute noch so (lacht). Eigentlich bin ich Autodidakt und mich interessiert vor allem die Frage: Warum sind Dinge wie sie sind? Damit hab ich mich ein Leben lang schon befasst. Ich liebe es, Sachen auszutüfteln, Lösungen zu entwickeln oder Neues zu erfinden. Deshalb kam ich dann auch als Quereinsteiger in den Küchenbau. Später ging es weiter in den Messe-Sonderbau, wo ich meine Kompetenz als Autodidakt ziemlich gut einbringen konnte. Mich interessiert zuerst die Funktion, danach kommt die Ästhetik. Beides spielt ja eine große Rolle im Messebau. Es ist 20 Jahre her, da hab ich auch mal ein, zwei Designpreise gewonnen. Jedenfalls wurde ich deshalb verstärkt von der Industrie angefragt und erhielt dann 2008 den Auftrag vom Fraunhofer Institut das „Hotelzimmer der Zukunft“ in einem Seefrachtcontainer zu bauen. Das war der der eigentliche Startschuss für Containerwerk. Die Stahlkolosse haben mich nämlich seitdem einfach nicht mehr losgelassen und ich dachte, die muss ich mir auf jeden Fall noch eine Weile genauer ansehen.
M2G: Und das hast Du ja auch. Acht Jahre hat es gedauert, bis Du letztendlich zusammen mit Deinem Geschäftspartner Michael Haiser die Containerwerk eins GmbH gegründet hast. Warum so lange?
Ivan: Entwicklung und Forschung brauchen Zeit! Vor allem die Dämmung der vier Stahlwände hat uns beschäftigt. Schließlich brauchten wir eine Lösung, die wenig Platz wegnimmt und schnell zu realisieren ist. Wir wollten auf jeden Fall industriell fertigen, um ein dauerhaft attraktives Preisniveau zu gestalten. In dieser Zeit haben wir dann eine Dämmung entwickelt, die wesentlich schmaler ist als herkömmliche Lösungen. Außerdem schaffen wir es inzwischen, ein Raummodul inklusive Dämmung in unter zwei Stunden anzufertigen. Das hätte ich zeitweise selbst nicht einmal für möglich gehalten. Denn wer weiß, wie aufwändig räumliche 3D-Verarbeitung von Dämmstoffen in einem automatisiertem Prozess ist, der wird schnell verstehen, warum wir so lange gebraucht haben (lacht).
Die Nachfrage von Privatanwendern steigt
M2G: Du sprichst von einem dauerhaft günstigen Preisniveau. Trotzdem können die modularen Wohncontainer erst ab einer Stückzahl von 20 erworben werden, was sich der normale Bürger wahrscheinlich gar nicht leisten, geschweige denn alles bewohnen kann. Ist das Konzept nicht auch – gerade aufgrund der geringen Kosten und seiner ökologischen Faktoren – für Privatpersonen interessant?
Ivan: Ja, die Nachfrage ist da wirklich sehr groß. Deshalb arbeiten wir aktuell an einer Linie für Privatanwender.
M2G (erfreut): Wenn sie fertig ist, klopfe ich vielleicht ein zweites Mal bei Dir an, denn ich interessiere mich ebenfalls sehr für ein Leben in alternativen und minimalistischen Gebäudekomplexen.
Ivan, vielen herzlichen Dank für dieses wunderbare Gespräch.
Ivan: Sehr gerne, komm einfach vorbei und wir tüfteln gemeinsam was aus.
XM: Geht klar!
Text: Nadine Zwingel
Bilder:
Stefan Hohloch (Wertheim fertiggestellt, Milan),
Steffen Scheyhing (Wertheim im Aufbau),
Gabriel Anta y Ana Santos (Costa Rica)